Ist das Lied "Hallelujah" ein ungeeignetes Lied für Trauungen?
Leonard Cohen veröffentlichte das Lied "Hallelujah" im Jahr 1984. Seitdem wurde es zahllose Male gecovert, u. a. von Jeff Buckley, Rufus Wainwright (im Film "Shrek") oder der A-capella-Gruppe Pentatonix. Auch bei Hochzeiten erfreute sich Hallelujah in den vergangenen Jahrzehnten größter Beliebtheit. Vielleicht, nach meinem subjektiven Eindruck ist dies sogar wahrscheinlich, handelt es sich seit dem Erscheinen als Filmmusik im Soundtrack zu "Shrek" im Jahr 2001 um das meistgespielte Lied bei Trauzeremonien überhaupt. Zumindest im deutschsprachigen Raum dürfte der Grund hierfür die eingängig melancholische Melodieführung sein, die die sich in der Strophe aufbauende Spannung im Refrain auflöst. Zudem "kennt man" den Begriff Hallelujah aus dem kirchlichen oder religiösen Kontext und mit positiver Konnotation und erhofft sich so den Segen Gottes oder verbindet jedenfalls Positives mit dem Liedtext. Als Brautpaar und erst Recht als Hochzeitssänger fragt man sich nun: Zu Recht?
Der wohl am häufigsten verwendete Text des Liedes (Leonard Cohen hat immer wieder neue und andere Fassungen geschrieben, Gerüchten zufolge mehr als 80 Strophen) lautet wie folgt:
Well I've heard there was a secret chord
That David played and it pleased the Lord
But you don't really care for music, do you?
Well it goes like this:
The fourth, the fifth, the minor fall and the major lift
The baffled king composing Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Well your faith was strong but you needed proof
You saw her bathing on the roof
Her beauty and the moonlight overthrew ya
She tied you to her kitchen chair
And she broke your throne and she cut your hair
And from your lips she drew the Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
But baby I've been here before
I've seen this room and I've walked this floor
You know, I used to live alone before I knew ya
And I've seen your flag on the marble arch
And love is not a victory march
It's a cold and it's a broken Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Well there was a time when you let me know
What's really going on below
But now you never show that to me do ya
But remember when I moved in you
And the holy dove was moving too
And every breath we drew was Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Maybe there's a God above
But all I've ever learned from love
Was how to shoot somebody who outdrew ya
And it's not a cry that you hear at night
It's not somebody who's seen the light
It's a cold and it's a broken Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
Hallelujah
In der kirchlichen Trauuung erlaube ich mir als Hochzeitssänger übrigens die Freiheit, aus "Maybe there´s a god above" ein "Baby, there´s a god above" zu machen. Es gibt ja keinen Grund, den Herrn im eigenen Haus laut in Zweifel zu ziehen.
Schritt für Schritt: 1. Was bedeutet "Hallelujah"?
"Halleluja ist die deutsche Transkription des hebräischen הַלְּלוּיָהּ (hallelu-Jáh), ein liturgischer Freudengesang in der jüdisch-christlichen Tradition und Aufruf zum Lobe Gottes. Es setzt sich zusammen aus dem Imperativ Plural "preiset" von hillel (hebräisch für „preisen, verherrlichen, ausrufen“) und Jah, der Kurzform des Gottesnamens JHWH. Wörtliche Übersetzung: Lobet Jah!" (Quelle: Wikipedia). Frei übersetzt bedeutet Hallelujah also "Lobet den Herrn!" oder "Lobet Gott!". Unter diesem Aspekt ist der Refrain gut geeignet als Lied für Hochzeiten, gleich ob Kirche, Standesamt oder freie Trauung. Der Segen Gottes schadet sicher nicht.
2. Wie lautet der Text auf Deutsch?
Mehr oder weniger wörtlich übersetzt lautet der Text wie folgt:
Ich hörte, es gab einen geheimen Akkord,
den David spielte und der Gott gefiel.
Aber du scherst dich nicht wirklich um Musik – oder?
Also, es geht so: die Subdominante, die Dominante,
runter auf Moll und hoch zu Dur,
der verwirrte König komponiert Halleluja.
Halleluja
Dein Glaube war stark, aber du brauchtest einen Beweis.
Du hast gesehen, wie sie auf dem Dach ein Bad nahm.
Ihre Schönheit im Mondlicht überwältigte dich.
Sie hat dich an den Küchenstuhl gefesselt,
hat deinen Thron zertrümmert,
Deine Haare abgeschnitten.
Und deinen Lippen entlockte sie das Halleluja.
Du, ich war schon mal hier.
ich habe dieses Zimmer gesehen, bin auf diesem Boden gelaufen,
weißt du, ich lebte allein, ehe ich dich kannte.
Und ich habe deine Flagge auf dem marmornen Torbogen gesehen
und Liebe ist kein Triumphmarsch.
Es ist ein kaltes und gebrochenes Halleluja.
Du, es gab eine Zeit, als du mir immer gesagt hast,
was da unten wirklich vor sich geht.
Aber jetzt zeigst du mir das gar nicht mehr – oder?
Aber erinner dich, als ich mich in dir bewegte,
bewegte sich auch die heilige Taube,
und jeder unserer Atemzüge war ein Halleluja.
Vielleicht gibt’s ja einen Gott da oben.
aber alles, was ich je von der Liebe gelernt habe, war,
wie ich jemanden erschieße, der schneller die Waffe zieht..
Und es ist kein Rufen, das du des Nachts hörst.
Es ist nicht jemand, der das Licht sah,
es ist ein kaltes und ein gebrochenes Halleluja.
Anm.:
"and it goes like this, the fourth, the fifth, the minor fall, the major lift": ein Sprachspiel. Die Übersetzung im musikalischen Kontext wurde gewählt. Dadurch ging der Gegensatz vom geringen Fall und vom größeren Auftrieb verloren. (Quelle: https://www.songtexte.com/uebersetzung/jeff-buckley/hallelujah-deutsch-5bd6b700.html auch mit weiteren hilfreichen Hinweisen zur Interpretation).
Es kursieren auch deutsche Fassungen des Liedes im Internet. Ich kann diesen aber selbst als professioneller Sänger wenig abgewinnen und bin auch nicht dafür, eine deutsche Fassung bei einer Trauung zu singen. Der Text ist dann meist mehr schlecht als recht und wird dem Song als solchem nicht mehr gerecht.
3. Und wie ist der Text nun gemeint?
Am einfachsten lässt sich da sicher der Refrain erklären. Zwischen jedem Vers, immer vier Mal, erklingt ein emphatisches „Hallelujah“, als müsse das Wort bekräftigt werden, gegen alle grade geäußerten Zweifel. Oder um dieses Hadern zu verstärken, als eine Herausforderung? Also doch nicht soooo einfach. Versuchen wir es hier also mit der Strophe (ich zitiere die FAZ, https://blogs.faz.net/pop-anthologie/2017/12/23/der-unheilige-jubel-des-leonard-cohen-1043/):
"Da war zuerst a secret chord, ein geheimer Akkord, den David, der alttestamentliche König von Juda, erfand. Um the Lord, seinem Herrn, seinem Gott zu gefallen. Der aber scheint nicht wirklich an Musik interessiert zu sein. Und David ist nicht gut im Komponieren, er greift ein paar simple Akkorde, nehmen wir an, auf seiner Harfe. Entsprechend erstaunt, baffled, war er dann über das Ergebnis. Im Englischen heißt „minor“ die Tonart Moll, „major“ ist Dur; das war’s schon. Und Leonard Cohen amüsiert sich da wie beiläufig gewiss über sich selbst: Viel mehr als die Grundgriffe hat er auf seiner Gitarre nie gebraucht. Wie überhaupt das ganze „Hallelujah“ von tieferem Witz durchsetzt ist; auf die böse Idee mit dem Küchenstuhl musste schließlich erst einmal jemand kommen.
Den König David bewegt offenbar noch eine andere Lust, als die des Herrn. Hat er doch her gesehen, bathing on the roof, gemeint ist Bathseba, die später den Salomon gebären wird. Der Honeymoon fällt aus, der Küchenstuhl steht schon dort bereit für die häusliche Knechtung, wo früher der Thron war. Der vollzogene Haarschnitt verheißt nichts Gutes, zumal er auf jene biblische Delila hindeutet, die dem Samson die Haare abschneiden ließ, was ihn um seine Kraft brachte. Mit seinem alttestamentlichen Medley lässt Cohen nicht den Eindruck entstehen, als führe die fleischliche Liebe zur Vollendung des Glücks."
Und Weiter:
"Ja, Baby, denkt man unwillkürlich, da ist wohl einiges anders gelaufen als geplant. Dieses zweite „Hallelujah“ ist härter, der Marmorbogen als eine Metapher dafür, die Flagge oben wie die Trophäe aus einem unheiligen Krieg. Das angesprochene Du ist nicht länger der Gott. Cohen ergeht sich in Rätseln, in Anspielungen: auf Maria, vielleicht, auf the holy dove, den Heiligen Geist, auf die Verkündigung, sehr möglich ist das. Doch der, der spricht, erfährt nicht länger, was vor sich geht. Der Sänger wird, gleichnishaft, zum Krieger, die Liebe zum Schlachtfeld, auf dem es darum geht, wer seine Waffe schneller zieht. Nein, Baby, das ist keine Klage, und nicht ein Pilger spricht, der Erleuchtung fand – it’s a cold and it’s a lonely Hallelujah. In diesen Evokationen und gleichnishaften Bildern enthüllt sich die dunkle Seite des Leonard Cohen. Es klingen die Abgründe an, die in manchen seiner anderen Lieder hart aufgerissen bleiben, in dem frühen „Diamonds in the Mine“ etwa. Doch gegen alle Widerstände hält er daran fest, am Ende vor dem Lord of Song mit seinem „Hallelujah“ zu bestehen."
Puh, das klingt kompliziert. Ist es auch. Es ist finster, düster, komplex, metaphorisch. Es gibt viele Versuche der Interpretation, Sammlungen von Andeutungen Cohens selbst, etc. Jeff Buckley, der wohl die bekannteste Fassung des Lieds aufgenommen hat sah den Song übrigens als das "Hallelujah des Orgasmus" (was immer er damit meinte; Quelle: https://www.sueddeutsche.de/kultur/zum-tod-von-leonard-cohen-hallelujah-1.3244897). Was nun letztlich genau der Autor mit welcher Strophe gemeint hat - man wird es wohl nie mehr wirklich erfahren (Cohen starb am 7.11.2016). Und so ist es wie mit jedem Werk der Poesie oder der Kunst überhaupt: Es bedeutet, was es eben für den Leser - oder hier den Zuhörer - bedeutet. Nicht mehr und nicht weniger. Dafür ist die Kunst letztlich geschaffen.
3. Fazit: Ist das Lied "Hallelujah" nun für Trauungen geeignet?
Hier kann es für mich als Hochzeitssänger nur eine Antwort geben: Es ist genauso geeignet oder ungeeignet wie viele andere Lieder auch. Es kommt eben darauf an. Es kommt darauf an, ob man das Lied als solches mag, die Melodie, das Schwermütige darin. Es kommt darauf an, ob man mit dem Text etwas anfangen kann, oder ob er einem vielleicht sogar schlichtweg egal ist, man nur das Wort "Hallelujah" im Refrain mag oder versteht. Auch das hätte seine Rechtfertigung. Cohen selbst hat sich kaum zu seinem Song geäußert. Für den Einen hat die Liebe mit Schmerz und Leid zu tun, für den Anderen mit Freude, für den Nächsten mit beidem. Letztlich bleibt es aber wie man es besieht zweifellos eines:
Ein wunderschönes, bedeutungsvolles Lied.
Übrigens....Welche Coverversionen gibt es?
Man möchte fast sagen: zahllose! Der SPIEGEL hat in einem Artikel einmal einige der bekanntesten Coverversionen aufgelistet und verlinkt:
Meine Interpretation des Liedes Hallelujah: